Procurement TRANSFORMATION

was wirklich zählt

 

 

Überleben lernen

Die Transformation des Einkaufs ist für Unternehmen ein notwendiger Beitrag zur Existenzsicherung in unruhigen Zeiten. Ausgehend von Unternehmenszielen muss der Einkauf zukünftige Erfolgsfaktoren bestimmen und nachhaltige Veränderungen realisieren.

Kaum 15 Zentimeter groß, sind Schnäpper eher harmlose Vögel, die für viele Räuber leichte Beute wären. Doch die kleinen Tiere haben ein enges Kooperationssystem entwickelt, das sie auch vor deutlich größeren Feinden schützt: Taucht ein Raubtier auf, dann schreit der Schnäpper, der es als erstes sieht. Die anderen Vögel seines Schwarms umringen den Feind daraufhin eng, bis dieser sich irritiert zurückzieht. Tatsächlich ist dieses Verhalten bei den Schnäppern ein Geben und Nehmen: Vögel reagieren eher auf den Hilferuf eines Artgenossen, der zuvor bereits für sie gekämpft hat.

Von diesem Verhalten können sich Unternehmen inspirieren lassen. Kooperation und eine agile Reaktion auf unerwartete Risiken sind essenziell, um auch in den kommenden Jahren eine widerstandsfähige Organisation zu stellen und resilient gegen äußere Einflüsse zu werden. Denn das Wirtschaftsklima kühlt sich derzeit rapide ab, unter anderem aufgrund der Zollstreitigkeiten zwischen den USA und China sowie der Unsicherheit des Brexits. Hinzu kommt die Digitalisierung, die nahezu alle Prozesse im Unternehmen beschleunigt – Anwendungsbeispiele gehen über automatisierte Abwicklungsprozesse und verbesserte Analysemethoden hinaus und ermöglichen automatisierte Entscheidungen in Echtzeit hinsichtlich Beschaffung, Herstellung und Distribution. Wer dabei nicht ähnlich effektive Mechanismen wie die Schnäpper entwickelt, droht, schnell abgehängt zu werden.

 

 

Gerade unter den aktuell schwierigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ist der Einkauf entscheidend dafür, effizient und günstig produzieren zu können, Liefersicherheit zu gewährleisten und gemeinsam mit internen und externen Partnern Innovationen und neue Projekte zu realisieren. Um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, sollte die Procurement Transformation aktiv vorangetrieben werden.

Oft fehlt jedoch eine definierte Grundlage für diese Transformation – Zweck und Ziele des Einkaufs sind unklar, die Rolle des Einkaufs als Werttreiber im Unternehmen ist nicht sichtbar und es fehlen konkrete Anwendungsfälle als Grundlage gezielter Investitionen. Auch die Tatsache, dass nur wenige Mitarbeiter schon die notwendigen IT-Kenntnisse für eine erfolgreiche Anpassung besitzen, steht einem Wandel im Weg.

Neben den operativen Zielen des Einkaufs geht es insbesondere darum, den zukünftigen Zweck zu identifizieren, an dem sich das ganze Team orientiert und auf den es im Rahmen der Transformation hinarbeitet.

Procurement Purpose: Sinn und Zweck des Einkaufs definieren

Die Transformation des Einkaufs ist ein ambitionierter Weg, um die Vision und die Ziele des Einkaufs zu erreichen. Die eigenen Fähigkeiten zu optimieren sowie neue Rollen und Denkweisen einzuführen ist oft ein mehrjähriger Prozess. Um die Transformation zu meistern, muss der Einkauf zudem Handels- und Währungseinflüsse sowie Beschaffungsrisiken im Blick behalten und ergebnisorientiert steuern.

 

Welche Rahmenbedingungen bestimmen den Erfolg im kommenden Jahrzehnt?

In einer aktuellen Studie hat BCG die wichtigsten Erfolgstreiber für das nächste Jahrzehnt identifiziert. Unternehmen müssen sich an ein neues Umfeld anpassen, um in den 2020er Jahren erfolgreich zu sein: Diese neue Wettbewerbslogik wirkt sich auch auf die zukünftige Rolle des Einkaufs aus.

/ Im Rahmen der Einkaufstransformation sollte eine Organisation geschaffen werden, die diese Treiber unterstützt: 

  1. Die Fähigkeit, neue Geschäftsmodelle zu etablieren und neue Technologien sowohl in der eigenen Organisation als auch in den Lieferanten-netzwerken der Unternehmen erfolgreich einzusetzen, wird immer wichtiger.

  2. Eine erfolgreiche Digitalisierung geht über die Automatisierung von Prozessen und die analytische Entscheidungsunterstützung hinaus. Die verfügbaren Daten ermöglichen automatisierte Entscheidungen im Zusammenhang mit der Herstellung, dem Handling und dem Vertrieb von Produkten und Lösungen.

  3. Schließlich müssen Unternehmen Risiken und Schocks aufgrund wirtschaftlicher und geostrategischer Unsicherheiten erkennen und die Fähigkeit, schnell darauf zu reagieren, grundlegend verbessern.

Neben wirtschaftspolitischen Einflüssen spielen individuelle Kundenbedürfnisse eine wichtige Rolle als Treiber der Procurement Transformation, denn deren Befriedigung steht für das Überleben des Unternehmens an erster Stelle und sollte daher bereits im Einkauf antizipiert werden.

Wer seinen Einkauf wirklich nachhaltig aufstellen will, sollte ein klares Ziel zur Rolle des Einkaufs in fünf Jahren vor Augen haben. Die Rolle kann dabei durchaus vielseitig sein: Bringt der Einkauf als Innovator gemeinsam mit der Forschungs- und Entwicklungsabteilung das Unternehmen in die Zukunft? Hier stehen Kompetenzen wie die Zusammenarbeit mit der Vorfeldentwicklung oder das gezielte Technologiescreening in kritischen Beschaffungsmärkten im Vordergrund.

Die traditionelle Rolle als Kostenmanager mit der Verantwortung einer effizienten, kostengünstigen Beschaffung setzt andere Fähigkeiten voraus, von der Kostenmodellierung zur systematischen Bedarfs- und Risikoplanung. Mit dem Einsatz der richtigen Werkzeuge kann die Leistungsfähigkeit des Einkaufs deutlich gesteigert werden, vor allem mit Blick auf die Digitalisierung. Doch bisher haben nur wenige Firmen ihre Beschaffungsprozesse umfassend digitalisiert und automatisiert. Grundsätzlich besteht hier Problembewusstsein – dennoch nimmt nur jedes zweite Unternehmen für sich in Anspruch, die Digitalisierung des Einkaufs bereits in die Wege geleitet zu haben.

Neben den operativen Zielen des Einkaufs, beispielweise Verfügbarkeit und Kostenoptimierung, geht es insbesondere darum, den zukünftigen Zweck, wie zum Beispiel Förderung von Innovation und Nachhaltigkeit zu identifizieren, an der sich das ganze Team orientiert und auf den es im Rahmen der Transformation hinarbeitet. Wichtig ist, dass den Rahmenbedingungen Rechnung getragen wird, die für die Einkaufsperformance und das Unternehmen entscheidend sind.

Erfolgsentscheidend ist die Abstimmung mit allen Partnern, um die ganze Supply Chain – vom Lieferanten bis zum Endkunden – abzubilden.

 

Gestaltung der Roadmap: Ziele und schnelle Ergebnisse erreichen

Auf Basis dieser Ziele ist im nächsten Schritt ein konkreter Plan zu entwerfen. Dieser sollte in enger Abstimmung mit den Führungskräften auf C-Level entstehen, selbst die innovativste Einkaufsabteilung muss sich dabei als Teil des Ganzen begreifen. Unterschiedliche Prioritäten in Bezug auf Kostenperformance, Effizienz, Innovationen oder Risikomanagement beeinflussen den Veränderungsbedarf. Eine klare Priorisierung ist daher unumgänglich: Soll der Einkauf eher den Erlös der Firma steigern oder dafür sorgen, dass die Nachhaltigkeit im Vordergrund steht?

Was macht eine erfolgreiche Einkaufsorganisation aus?

Maximale Performance bezogen auf Wertschöpfung, Kosten-und Risikomanagement, Kundennutzen und Innovationen

Vertrauensvolle Beziehungen zu Geschäftspartnern zur beiderseitigen Ergebnissteigerung, breitere Lieferantenbasis, gemeinsame Innovationen

Schulung der Einkaufsorganisation, z. B. Fähigkeiten wie Führung, Agilität, Datenanalyse

Agile Prozesse und schnelle Reaktionen durch ein hochmotiviertes, kompetentes Team

Klar definierte Digital- und Systemstrategie zur Bewältigung von Problemen, Zukunftssicherheit, Prozessoptimierung und Analytik

Von traditionellen Maßnahmen, z. B. Volumenallokation, Preisverhandlung, bis hin zu anspruchsvollen Ansätzen, z. B. Nachfragemanagement, Supply Chain Finance, Zielkosten, Zero Based Budgeting

Basierend auf den Prioritäten müssen im Anschluss klare Verantwortlichkeiten definiert werden. Niemandem ist damit geholfen, wenn jede Entscheidung zu langwierigen internen Diskussionen führt. Es ist daher sinnvoll, den konkreten Umsetzungsplan top-down zu erarbeiten und die einzelnen Rollen zuzuweisen.

So kann sichergestellt werden, dass der Einkauf zum einen die Rückendeckung der Geschäftsleitung und die Akzeptanz der Management-Ebene hat. Zum anderen wird auf diese Weise auch das Team integriert und die anstehenden Veränderungen werden greifbar, sodass die Mitarbeiter:innen die Notwendigkeit und ihre Aufgaben im Rahmen der Transformation verstehen.

Hilfreich können hierbei sogenannte Leuchtturmprojekte sein. Wenn bereits früh im Transformationsprozess erste herausragende Erfolge aufgezeigt werden, motiviert das die Mitarbeiter:innen – und überzeugt auch die Geschäftsführung – weil Resultate direkt sichtbar werden.

Niemandem ist damit geholfen, wenn jede Entscheidung zu langwierigen Diskussionen führt.

Je nachdem, welche Ziele Priorität haben, müssen auch die Prozesse angepasst werden – hier wird die Idee des agilen Arbeitens sehr wichtig.

Damit die Transformation des Einkaufs erfolgreich verläuft, sollten diese vier Bereiche betrachtet werden.

1. Organisation und Team entwickeln

Wer neue Prozesse und Technologien implementiert, der braucht die entsprechenden Kompetenzen in der Einkaufsabteilung. Dazu können wahlweise neue Experten und Expertinnen ins Team kommen oder der Einkauf vernetzt sich enger mit anderen Fachabteilungen im Unternehmen. Will der CPO etwa die vorhandenen Datensätze – zum Beispiel Kundendaten und Kosten – analysieren, kann er sich einen Spezialisten oder eine Spezialistin einkaufen oder prüfen, ob die hauseigene Finance- oder IT-Abteilung unterstützen kann. Natürlich können auch die eigenen Mitarbeiter:innen entsprechend qualifiziert und eigene Datenkompetenz aufgebaut werden. Hilfreich kann es zudem sein, abteilungsübergreifende Teams zu schaffen, die bestimmte Themen angehen. Bei der Datenanalyse kann sich dann zum Beispiel der:die Datenspezialist:in mit erfahrenen Einkaufsmanagern und einem Finance-Expert:innen zusammensetzen.

2. Optimierung von Prozessen

Je nachdem, welche Ziele Priorität haben, müssen auch die Prozesse angepasst werden. Hier wird die Idee des agilen Arbeitens sehr wichtig. Durch die Gründung von weitestgehend eigenverantwortlichen Teams, die vom Management unterstützt und ermutigt werden, kann diese Agilität erreicht werden. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Vision und Ziele zuvor klar kommuniziert wurden, damit alle Beteiligten wissen, worauf sie hinarbeiten. Für die Vorgesetzten ist es sehr wichtig, diese Teams passend zusammenzustellen: Manche Mitarbeiter:innen arbeiten gerne selbstständig, andere fühlen sich in klassischen Strukturen wohler. Diese beiden Typen sollte man zusammenführen, damit sie sich gegenseitig ergänzen.

Doch die Optimierung hört nicht bei internen Prozessen auf. Das Unternehmen muss eng mit den Lieferanten kooperieren und mit diesen effizientere Lieferwege und Lagerhaltung planen. Algorithmen und Datenanalyse können mögliche Effizienzen identifizieren, indem sie Informationen verknüpfen, die bis dato nicht zusammengeführt wurden. Je komplexer das eigene Geschäft ist, desto größer sind die Vorteile. Bei der Implementierung neuer Prozesse sollten Unternehmen aber berücksichtigen, dass diese nach Möglichkeit auch Veränderungen im Geschäftsumfeld überstehen können sollten.

3. Identifizierung der richtigen Tools

Wenn das Unternehmen die Hausaufgaben gemacht und die notwendigen Strukturen geschaffen hat, kann es die Digitalisierung des Einkaufs angehen. Transparente Daten und qualifizierte Teams sind notwendig, um zu entscheiden, wo Digitalisierung sinnvoll ist und welche Werkzeuge für die eigene Abteilung die richtigen sind. Big Data, Künstliche Intelligenz und Blockchain sind zwar populäre Buzzwords, doch nicht jede Innovation passt zu jeder Firma. Das eigene Team sollte die neuen Tools auch bedienen können. Ansonsten verkompliziert es die Arbeitsprozesse, anstatt Effizienzgewinne zu schaffen. Auch hier kann der Leuchtturmansatz helfen: Ein digitales Bestellsystem kann zunächst für eine Warengruppe oder ausgewählte Lieferanten genutzt werden. Wenn es dort funktioniert, setzt man es in der Folge breiter ein.

4. Einbeziehung von Lieferanten

Die Procurement Transformation muss zwangsläufig auch die Lieferanten einbinden. Denn die schönsten Ideen im eigenen Haus bringen wenig, wenn die
Partner nicht mitziehen. Durch enge Kooperation kann vor allem die Resilienz des Einkaufs erhöht werden, etwa durch strategische Partnerschaften. Hier ist beiderseitige Transparenz gefragt. Wenn der Zulieferer langfristig mit einer konstanten Nachfrage planen kann und diese auch zugesichert bekommt, dann kommt er dem Einkauf vielleicht in anderen Bereichen entgegen. Durch eine gute Beziehung zum Lieferanten kann das eigene Unternehmen zum „Customer of Choice“ werden und damit auf Vorzugsbehandlung hoffen. Wichtig ist der konstante Austausch mit den Partnern. Dabei kann man zum Beispiel auf Befragungen setzen, um eine Einschätzung zu der Kooperation zu bekommen und mögliche Stellschrauben für eine bessere Zusammenarbeit zu finden.

 

FAZIT

Die permanente Anpassung der Einkaufskompetenzen an neue Anforderungen und Rahmenbedingungen wird zum Normalfall. Zentrales Element ist ein robuster Transformationsprozess, der beispielsweise Technologieinvestitionen im Einkauf in gezielten Mehrwert für das Unternehmen übersetzt. Wichtig ist, dass die Ziele der Veränderung klar erkennbar sind und zu den Erwartungen der Business Partner passen, um nach innen und außen ein stimmiges Bild zu vermitteln. Doch letztlich ist Transformation ein stetiger Prozess und es gibt ständig neue Optimierungspotenziale, die man zuvor noch nicht im Blick hatte. Die Gesamtorganisation und die Strategien zur Zielerreichung müssen resilient aufgestellt und dafür regelmäßig angepasst werden – dem Einkauf kommt hierbei eine tragende Rolle zu.

Autor

Stefan Benett

ist Geschäftsführer im Münchener Büro von KGM Strategy. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Berufserfahrung im Bereich Einkauf und Operational Excellence. Als Experte für  Einkaufstransformation entwickelt er zukunftsorientierte Einkaufsstrategien für produzierende Unternehmen sowie Unternehmen der Energiewirtschaft.

office@kgmstrategy.com

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