Internationale Verhandlungen - Erfolgreich dank interkultureller Kompetenz

 

In Deutschland sollte man unbedingt pünktlich erscheinen, in Frankreich darf man auf gar keinen Fall beim gemeinsamen Essen Geschäftliches ansprechen, englische Gesprächspartner:innen stößt man mit allzu deutlich formulierten Forderungen vor den Kopf – dies sind bekannte Klischees, wenn es um internationale Verhandlungen geht. Aber ist da tatsächlich etwas dran?

Verhandlungen mit Menschen anderer Nationen gehören in den meisten Einkaufsabteilungen zum Alltag. Damit internationale Gespräche erfolgreich sind, brauchen die Beteiligten nicht nur klare Ziele und eine professionelle Strategie. Wichtig ist auch interkulturelle Kompetenz. Einige unserer Expats berichten über ihre persönlichen Erfahrungen, wie sie das Verhandeln in ihrer Wahlheimat erleben.

Raum für informelle Gespräche und Kompromisse lassen

Einen einheitlichen Verhandlungsstil gibt es in China nicht, stattdessen prägen Branche, Region, Unternehmensgröße und Erfahrungen der Ansprechpartner:innen den Umgang mit ausländischen Einkaufsteams. Ein paar Basics gibt es aber doch: Nach meiner Erfahrung sind aus China stammende Personen bei Verhandlungen offen und direkt und wissen, was sie
wollen. Sie sind in der Regel sehr unternehmerisch eingestellt, wollen gute Geschäfte und langfristige Beziehungen aufbauen und sind auch bereit, dafür die Extrameile zu gehen. Das macht sie zu angenehmen Verhandlungspartner:innen. Deutsche werden – wie auch in anderen Ländern – in China manchmal als zu direkt empfunden.Wer in China verhandelt, sollte mit mehreren Verhandlungsrunden rechnen, die bevorzugt von Angesicht zu Angesicht stattfinden. Ein striktes „Nein“ ist selten. Wenn allerdings eine Frage vermieden oder nicht beantwortet wird, dann bedeutet dies höchstwahrscheinlich genau das. In diesem Fall sollte man auf nicht auf eine Antwort drängen und eine Eskalation unbedingt vermeiden. Das Thema Gesichtsverlust ist kulturell verankert, Respekt zu zeigen ist sehr wichtig, auch wenn man sich nicht einig ist.
Häufig werden Geschäfte erst nach dem offiziellen Meeting abgeschlossen, etwa durch ein persönliches Telefongespräch und einen Kompromiss zwischen den Parteien. Für die Reise sollte daher mit etwas Zeit zwischen den Terminen geplant werden, um für informelle Gespräche Raum zu schaffen. Verhandlungen zwischen Chines:innen und Expats sind anders als Verhandlungen zwischen chinesischen Landsleuten. Wenn möglich, sollten aber auch Expats einen erfolgreichen Abschluss beim Abendessen mit einem guten Reisschnaps „Baijiu“ besiegeln.

Christopher Gaede ist Project Manager bei KGM Strategy in Köln. Im Rahmen eines umfangreichen Automotive-Projektes war er über einen längeren Zeitraum in Shenyang, wo er gemeinsam mit unserem chinesischen Projekt-Team mit dem Kunden vor Ort gearbeitet hat.

Detailgenau in allen Lebenslagen

Obwohl ich aus der rumänischen Stadt Timisoara stamme, das Teil des Habsburger Reiches war und in meiner Heimat auch Klein-Wien genannt wird, war ich überrascht von den kulturellen Besonderheiten, die ich entdeckte, als ich nach Wien zog. Ein Unterschied, der mir sehr früh aufgefallen ist, ist die Einstellung zur Vorbereitung einer Aufgabe – egal, ob es sich um eine
berufliche oder private Aktivität handelt. Ich war überrascht, als ich feststellte, dass es vor beruflichen Verhandlungen – und genau so auch zum Beispiel bei privaten Wanderungen – nicht ausreicht, das Ziel und den Weg dorthin zu definieren, sondern auch jeden einzelnen Schritt. Nach einer sorgfältigen Analyse verschiedener Alternativen wird in Österreich der gewählte Weg genau beschrieben und auch Milestones respektive Pausen eingeplant. In Rumänien hingegen ist die Haltung flexibler. Sobald das Ziel feststeht, wird sehr viel Wert auf die Atmosphäre gelegt, der Aufbau guter Beziehungen zu den Verhandlungspartner:innen steht im Vordergrund. Wer in Österreich verhandeln will, muss sich auf ein sehr strukturiertes Vorgehen einstellen, ohne den Aspekt des Beziehungsaufbaus zu vernachlässigen. Der Prozess kann oft langwierig werden, und die Beteiligten müssen sich mit Geduld wappnen. Das Durchlaufen eines sehr strukturierten Verhandlungsprozesses ist jedoch nur eine Voraussetzung, und das Endergebnis hängt letztlich von dem auf diesem Weg gewonnenen Vertrauen ab.

Iulia Pop ist Consultant in unserem Wiener Office. Sie studierte in Wien und Mailand, spricht fünf Sprachen und absolvierte auch ein Praktikum in München, bevor sie sich für Wien als Wahlheimat entschied.

Fünf Länder, fünf Sprachen, fünf Kulturen

Skandinavien wird von außerhalb oft als eine Einheit betrachtet. Speziell deutsche Landsleute haben häufig Bilder von sehr freundlichen blonden Menschen, echter Gleichberechtigung und einer entspannten Grundhaltung im Kopf. Tatsächlich sind dies verbindende Elemente, die ich in allen skandinavischen Ländern kennen gelernt habe. Allerdings gibt es zwischen den Nationalitäten
auch deutliche Unterschiede, etwa zwischen Dänemark und Schweden. Die merkt man gerade in Verhandlungen: Dän:innen äußern ihre Forderungen und Meinungen in der Regel sehr direkt und unverblümt. In Schweden dagegen ist das Gegenteil der Fall: da ist es wichtig, zu Beginn eines jeden Meetings ausführlich Smalltalk zu machen und für eine gute Atmosphäre zu sorgen. Forderungen sollte man nicht zu direkt äußern, sonst fühlen sich schwedische Gesprächspartner:innen vor den Kopf gestoßen. Konfrontationen gelten als unhöflich, der Konsens in der Gruppe ist bei Entscheidungen wichtig. Beide Umgangsformen haben Vor- und Nachteile. Ausländische Verhandlungsteams sollten die Unterschiede kennen und in ihren Strategien berücksichtigen, wenn sie erfolgreich sein wollen.

Marcus Schwarz ist Managing Director von KGM Strategy in Dänemark. Der gebürtige Kölner eröffnete im Januar 2018 das Office Kopenhagen und startete damit unsere Aktivitäten in Skandinavien.

 

Die Beziehung im Fokus

Bevor man sich an einen Verhandlungstisch setzt, ist es in Frankreich üblich, eine enge Beziehung zum Lieferanten aufzubauen. Sehr häufig findet das beim gemeinsamen Mittagessen statt, ohne dass Geschäftliches thematisiert wird. Wichtig ist der Smalltalk, um Vertrauen zwischen allen Parteien aufzubauen. Trotz dieser persönlichen Beziehungspflege verlaufen französische Verhandlungen
in der Regel formeller als in anderen Ländern, in denen ich gearbeitet habe. Vor allem in der Anfangsphase des Verhandlungsprozesses wird die Sprache bewusst förmlich gewählt, als Zeichen von Höflichkeit und Respekt. Eine gute Vorbereitung ist entscheidend für den Erfolg von Verhandlungen. Französische Lieferanten schätzen es besonders, wenn Kunden ihre Anfragen auf eine fundierte Datenanalyse stützen. Der französische Rechtsrahmen ist in mancher Hinsicht enger als in anderen Ländern. So dürfen beispielsweise die Zahlungsfristen 60 Tage ab Rechnungsstellung nicht überschreiten. Etwaige wirtschaftliche Interdependenzen der Lieferanten müssen gemeinsam bewertet werden, ohne dass Verträge sofort gekündigt werden können. Verhandlungsführer aus Übersee sollten Geduld mitbringen. Rechnen Sie damit, dass sich Verhandlungen im Sommer, aufgrund von festen Urlaubszeiten verzögern. Kunden sollten vorausschauend planen, um dringende Anfragen an französische Lieferanten während dieser Zeit zu vermeiden – es ist wahrscheinlich, dass niemand erreichbar ist.

Juan Felipe González ist Project Manager in unserem Cologneer Büro. Der gebürtige Kolumbianer absolvierte sein Studium in Frankreich und den USA, bevor er seine Karriere in New York und London begann. Er kehrte nach Frankreich zurück, um im Sommer 2022 bei KGM Strategy in Cologne anzufangen.

Sprachliche Rätsel entschlüsseln

Um in Großbritannien neue Geschäfte anzubahnen, sind persönliche Kontakte unverzichtbar. Durch vertrauenswürdige Dritte vorgestellt zu werden, ist für den Aufbau stabiler Lieferantenbeziehungen sehr wichtig. Deswegen sind einige Unternehmen sogar bereit, für diese persönliche Einführung zu zahlen. Mit britischen Ansprechpartner:innen zu verhandeln, kann für Expats
herausfordernd sein. Man sollte klar kommunizieren, aber nicht zu direkt zu sein. Ab einem bestimmten Stadium der Verhandlung kann man seine Wünsche offen mitteilen, jedoch ist es unklug, während der Diskussion zu hart oder zu direkt zu werden. Möchten Sie ein Angebot ablehnen, sollten Sie nicht einfach nur nein sagen, sondern eine alternative Lösung oder einen anderen Standpunkt vorschlagen. Brit:innen sprechen oft in Rätseln und beziehen viele kulturelle oder ironische Anspielungen in ihre Kommunikation ein. Nicht immer sind sie sich bewusst, dass ihr „britisches“ Englisch dadurch für Nicht-Muttersprachler schwer zu verstehen ist. Bitten Sie Ihre Gesprächspartner, präziser zu erklären, was sie meinen. Nach meiner Erfahrung sind sie dann gerne bereit, sich auf einen direkteren Kommunikationsstil einzustellen. Gesprächspartner:innen im Vereinigten Königreich sind in der Regel froh über solide Verhandlungen. Was sie nicht mögen, sind Überraschungen, die darauf abzielen, das Gegenüber auszutricksen. Von beiden Seiten wird erwartet, in den Verhandlungen stets fair und aufrichtig zu agieren.

Lina Tilley ist als Principal in unserem Londoner Büro tätig. Die gebürtige Deutsche schloss ihr Studium an der Alliance Manchester Business School ab und ist seitdem in Großbritannien zu Hause.

 

Seien Sie direkt (aber bleiben Sie freundlich)

Meiner Erfahrung nach spielen persönliche Treffen in Deutschland nach wie vor eine Schlüsselrolle beim Aufbau von Geschäftsbeziehungen. Der Beginn einer Geschäftsbeziehung ist oft ein Treffen zur Besprechung der Leistungen und der Ziele, um den „Business Fit“ zu bewerten. Diese Sitzungen sind zumeist recht formell und legen den Schwerpunkt auf Jobtitel,
Hierarchie und Umsatzprognosen. Sich die Zeit zu nehmen, den Standort des Kunden zu besuchen, wird als Ehre angesehen, und der „rote Teppich“ wird ausgerollt, um die Ernsthaftigkeit der Beziehung, die Sie aufbauen wollen, zu zeigen. Verhandlungen, und allgemein Gespräche, in Deutschland sind in der Regel sehr pointiert. So schnell wie möglich auf den Punkt zu kommen und zu sagen, was man will, dient der Geschwindigkeit und schafft gegenseitige Anerkennung. Entgegen der landläufigen Meinung gibt es dabei allerdings Grenzen, die zu respektieren sind, und man sollte nicht zu offensiv sein. Trotz des direkten Kommunikationsstils sollten Verhandlungsführer aus dem Ausland darauf eingestellt sein, dass Gespräche in Deutschland zu einem „Erlebnis“ werden können. Oft sind es recht langwierige Prozesse mit einigen Eskalationspunkten, insbesondere wenn man mit traditionellen Unternehmen mit vielen Hierarchien verhandelt. Viele Tage können mit völliger Stille und „verärgerten“ Gesprächspartnern vergehen, aber wenn alles nach Plan läuft, wird das Geschäft zustande kommen. Sobald eine Vereinbarung getroffen wurde, macht das Unternehmen in der Regel sofort weiter und tut sein Bestes, um das Besprochene so gut wie möglich zu erfüllen. Die Deutschen sind in der Regel sehr zuverlässig und liefern pünktlich. Sollte es ein Problem geben, informieren sie zeitnah und bemühen sich um eine möglichst nahtlose Lösung.

Theo Mizzi arbeitet als Project Manager in unserem Londoner Büro. Seit seinem Studienabschluss im Jahr 2015 hat er Erfahrung im Einkauf in der Lebensmittelindustrie in Deutschland und in Großbritannien gesammelt.

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